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GENIAL! CINEMA 2/94         home

" G E N I A L ": E I N  H U M O R T E S T  U N D  S E I N E  F O L G E N


 

 

 

 

 


Tisch, an dem die Kommission sitzt. Die einzelnen Mitglieder sind korrekt und konservativ gekleidet. Sie sehen nicht aus, als wenn sie von unserem Filmemacher etwas halten würden. Der Künstler wendet sich dem Vorsitzenden zu.

FILMEMACHER: Folgende Idee: (hastig) Aus einem Fahrstuhl steigt ein Liliputaner mit einem Goldfischglas in der Hand.

Er schaut erwartungsvoll von einem zum anderen. - Keine Reaktion.

FILMEMACHER: Und?

VORSITZENDER: Wie - "und"? 

"Müssen wir denn nicht
alle verstummen wie der Fisch?
Sind wir nicht alle Lilliputaner?"

FILMEMACHER: Ja sehen sie denn nicht, was dieses Bild impliziert?! Der Fahrstuhl! Der Liliputaner! Der Goldfisch!

Keine Reaktion.

FILMEMACHER: (sprudelt los) Die Bedeutung dieses Bildes springt einen doch förmlich an:  (springt auf) der Fisch als Ursprung der Metamorphose des Lebens zum Menschen. Der kleine Mensch, der das Wissen um seine Herkunft in der Hand hält und doch Gefangener der übermächtigen Technologie ist, die uns Hilflose herabzieht auf die niederste Stufe der ewigen Evolution und uns herausspeit in den Nebel der existentiellen Ungewißheit, Ortslosigkeit, Rastlosigkeit, des Daseins schlechthin! Müssen wir nicht verstummen, wie der Fisch im Glase?  Sind wir nicht eigentlich alle Liliputaner?

Die Kommissionmitglieder sehen sich verständnislos an. Der Filmemacher bemerkt, daß er nicht die erhoffte Wirkung erzielt und schwenkt um.

FILMEMACHER: Und auf der anderen Seite: der sich öffnende Fahrstuhl, als Metapher für die lebensspendende Urmutter Gaia, die ihren Schoß öffnet, um die menschliche Kreatur aus der Geborgenheit des Fischglases - äh - der Fruchtblase in das strahlende Licht der Welt zu entlassen. Kurz: Ontogenese, Phylogenese, Biogenese ... alles in einem Bild!

Der Filmemacher atmet schwer und sieht den Vorsitzenden triumphierend an.

VORSITZENDER(über den Rand seiner Brille): Und? 

FILMEMACHER (verblüfft): Wie - "und"?

VORSITZENDER: Ist das alles?

Der Filmemacher sieht die Kommissionsbeamten konsterniert an.

FILMEMACHER (automatisch): NEIN!

Er versucht, in den Gesichtern zu lesen, was von ihm erwartet wird, und überlegt fieberhaft. 


Im Gral der Gremien

Bei der Odysee des "Genial"-Scripts durch
die deutschen Förderungsanstalten wurden
keine Anzeichen von Humor festgestellt

Sie sind unter uns. Kaum jemand kennt sie. Aber in jeder größeren Stadt sitzen mindestens ein paar davon. Sie wälzen sich durch Manuskripte, Drehbücher, Kostenaufstellungen, Antragsformulare Bittbriefe und anderes kulterell wertvolles Schrifttum. Die Mitglieder dieser kulturellen Vereinigung Vereinigung treten bevorzugt in Banden auf und machen rücksichtslos vom Stempelkissen gebrauch. Man nennt sie die Filmförderer. 
   Gefördert wird, was gefällt, sollte man meinen. Aber nicht selten wird gefördert, was keiner sehen will. Auf diese Weise entsteht eine Subspezies von Filmen, die zwar physisch vorhanden sind, von deren Existenz aber kein Mensch je Notiz nimmt. Kennen Sie etwa den berühmten deutschen Film "Tolstefanz"? Oder die metaphysische Offenbarund "Ich bin vor dem Jahre 0 geboren"? Ganz zu schweigen von "Hans, mein Igel",
"Neuer Engel westwärts",
"Spielfilme völlig phantasielos drehen"? ! Alle diese Titel sind der offiziellen  Übersicht der vom Bundesministerium des Inneren (BMI) produktionsgeförderten Filmprojekte entnommen, und sicher hat der eine oder andere Regisseur hinterher eine fruchtbare Diskussion mit dem aufgeweckten Filmvorführer gehabt.
   Nach welchen Kriterien die Duodezfürsten der deutschen Kinokultur sich für "Hans, der Igel" und gegen "Karl, der Kater" entscheiden, wird für Aussenstehende wohl niemals nachvollziehbar sein. Das Filzrecht des Gremiendschungels: Wer die besten Beziehungen hat, kommt durch; wer keinen kennt, darf nicht mitfilmen. Ist es, bei soviel Kuddelmuddel um Kunst und Klüngel, überhaupt noch möglich, filmische Avantgarde vom delierenden Nonsens, den Autorenfilm von seiner eigenen Karikatur zu unterscheiden? Diese Frage stellten sich die Hannoveraner Jungautoren Michael Gaßner, Andreas Fahlbusch und Christoph Honegger. Sie wollten wissen, warum der deutsche Film zwar so fröhlich gefördert wird, aber so  
 
DEUSCHLANDS KOMISCHSTER ABLEHNUNGSBESCHEID
"(...) Es ist deshalb angezeigt, die in dem Buch dargestellte Realität nicht der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (...)"



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